Haben oder Sein: To be or not to be...

               2012

To be or not to be? Ende, Wende oder was? (geschrieben 2010)

Der 21.12.2012 soll der entscheidende Tag sein. Das lesen einige Fachleute aus dem Mayakalender. Tatsächlich: Es wird dann der erste Tag sein vom Rest deines Lebens. Also nutze ihn.

Es hat in der Menschheitsgeschichte schon einige Finaldaten gegeben. Silvester 999 war so ein Tag: Ein großer Teil der Christen harrte Abend und Nacht in den Kirchen aus, um das Ende gottgefällig begehen zu können: Himmel oder Hölle, war die Frage. Die drei Offenbarungsreligionen warten auch heute noch und wieder verstärkt auf die Endzeit mit dem letzten Gericht. Im Hinduismus wird das Kali-Zeitalter des Niedergangs vom Satya-Zeitalter der Wahrheit und Gerechtigkeit abgelöst, wenn Sonne, Mond, Jupiter und das Sternbild Krebs in besonderer Konstellation vereint sind (Bhagavata-Purana 12,2.23). Und der Buddhismus spricht vom Ende des Kreislaufs des Lebens und Leidens, wenn Maitreya (der Liebevolle) erscheint (Samyutta-Nikaya 22,99). Angesichts der irdischen Missstände und Ungerechtigkeiten ist das Warten auf eine höhere Instanz des gerechten Ausgleichs nur verständlich.

Auch als rational Denkender gibt es genug Gründe, pessimistisch an ein Ende oder optimistischer an die Not-Wende der Menschheit zu glauben. So ist zu hören: „Die Erde ist in einer gesundheitlichen Krise, das Fieber steigt. Sie wird das Virus ausschwitzen“! Oder: „Wenn der Mensch das Naturgesetz vom >survival of the fittest< falsch deutet, wird die Evolution ihn verschwinden lassen“! Das heißt: Nur der an die Natur Angepasste überlebt!

Die irdische Existenz ist bestimmt von Kosmos und Natur. Der Mensch ist nur ein kleiner Faden im Lebensnetz. Er sollte sich und seine Erzeugnisse nicht überbewerten. Das gilt besonders für seine Weltanschauungen und seine Kalender: Das geozentrische Weltbild, der Mann als Krone der Schöpfung, der Mensch als Maß aller Dinge, seine 5770-jährige Geschichte seit Adam und Eva (jüdischer Kalender)... alles erwies sich als zu kurz gedacht. Das kann auch gelten für seine Kraft, die Erde zu zerstören oder zu retten. Die Welt ist kom-dox, komplex und paradox, also für den menschlichen Geist letztendlich nicht zu erfassen. So müssen wir auch damit rechnen, dass die menschengemachte CO2- Erwärmungsgefahr zu einlinig gedacht, überkandidelt ist. Eine große Rolle könnten auch kosmische Strahlung, Sonnenaktivität und unsere Position in der Galaxie spielen (Svensmark-Theorie). Warum wird die Kohlendioxidbedrohung z.B. auch von der lebensfeindlichen Atomindustrie gepusht? Ihre "Brückentechnologie"soll den Kollaps verhindern, also wieder Technik und Industrie. Das Wort "Klimakatastrophe" prägte 1985 Prof. Heinloth und förderte als Leiter der Fachgruppe Energie bei der dtsch. physik. Gesellschaft damit die Kernenergie. Doch gerade diese Denkweise ist das Problem, nicht die Lösung. - An die Zukunft denken heißt vor allem, Demut und Bescheidenheit zu üben.

Auf meine Frage nach dem magischen Datum 2012 habe ich sehr unterschiedliche Antworten bekommen. Im Berliner Zeiss-Planetarium (Prenzlauer Allee) hieß es „Hokuspokus“. Zwei Maya-Frauen, eingeladen vom Welthaus Bielefeld sagten mir: „Es gibt einen Wandel, der jetzt schon anfängt: Die guten Menschen bleiben und werden die Erde friedlicher und gerechter erhalten“. Konnte ich glauben, der Beweis stand vor mir.

Vielleicht gibt es bald tatsächlich einen Sprung in der Bewußtseinsevolution des Menschen. Die Zahl der "Erleuchteten" soll ja rapide wachsen. Spiritualität, Mystik, nicht-institutionalisierte Religion gewinnen an Bedeutung für viele Menschen. Ist nach der Vertreibung jetzt die Rückkehr ins Paradies nahe? Religion (von re-ligare, wieder verbinden) meint m.E. das Suchen und Finden der Einheit mit dem großen Geist (Gott), mit der Schöpfung. Religionsgeschichtlich kann der sogenannte Sündenfall als Verlustereignis dieser Einheit gedeutet werden. Der Mensch war nicht mehr Teil der Schöpfung, sondern empfand sie als Herausforderung, er hatte sich sozusagen von Gott abgesondert (Sünde). Entwicklungsgeschichtlich begann damit die Entstehung des Bewußtseins und die Erkenntnis von Gut und Böse. Seither hat bei kollektiver Gewaltausübung (Kriege, Eroberungen, Pogrome...) das jeweilige Gemeinschaftsgewissen immer das Gute in den eigenen Taten, das Böse in denen der Gegner gesehen. Die duale Beur-Teilung ist also Voraussetzung zu dieser Art von Gewaltbereitschaft des Einzelnen. Wenn wir erkennen, dass wir auf der Erde nur gemeinsam und im Einklang mit der Natur überleben können, bleibt die harmonische Zukunftshoffnung nicht illusionär.

Dezember 2012 ist bereits jetzt ein Medien-Hype. Bücher, Film, Internet... wollen uns zeigen, wo es lang geht. Damit kommen sie einem menschlichen Urbedürfnis entgegen: die Angst vor Unsicherheit und Unbekanntheit zu beschwichtigen. Und im Gegensatz zu früher, wo falsche Propheten geköpft wurden, können heute Zukunftswisser mit offenen Ohren und Geldbeuteln rechnen und sich im Fehlfall ohne Konsequenzen zurückziehen.

Ich bin skeptisch, ob sich die Zukunft datumsgetreu vorhersehen lässt. Mir ist wichtiger, aus der Vergangenheit zu lernen, z.B. mit der Frage: Warum sind Hochkulturen wie die Osterinseln oder die Maya so plötzlich untergegangen? Führte Vermessenheit und Raubbau zu Überbevölkerung und Überlastung der Natur... also eine Zuvielisation zum Kollaps?  Oder wurden die Naturvölker durch die weiße, westliche Eroberung verseucht, was wir „Zivilisierung“ nannten?

Aus der Vergangenheit lernen? Die liegt doch hinter uns, wie etwas endgültig Abgeschlossenes, lasst sie ruhen, aus und vorbei, ohne Wirkung für uns heute. Es gibt in anderen Kulturen jedoch andere Vorstellungen: Die Zeit ist wie eine Karawane. Unsere Urahnen haben den Weg begonnen, wir reihen uns heute ein und nach uns kommen unsere Kinder und Urenkel. Unsere Vorfahren (die vor uns fahren!) haben danach auch heute noch Bedeutung und Einfluss. Wir sollten sie ehren und ihre Weisheiten schätzen lernen, z.B. die der Kelten und Sachsen, die Bäume, Felsen und Quellen heiligten, weil darin ein Sinnbild für heiles Leben und die große Harmonie zu sehen ist.

Wenn wir die Vergangenheit nicht achten, verlieren wir den Blick für die Zukunft. Was wir heute tun, wirkt sich in der Zeit unserer Kindeskinder aus. Werden sie sagen: Oh, wo haben unsere Vorfahren uns nur hingeführt?