Haben oder Sein: To be or not to be...


Ein Brief mit Fragen  zum Thema Demokratie und Bürgerrechte, besonders bezogen auf  den Bt-Beschluss zum Kriegseinsatz in Syrien am 4. 12. 2015  an MdB Cajus Caesar (CDU, einziges MdB meines Wahlkreises Lippe1).          (Am 03.12.2015 auf Abgeordnetenwatch eingestellt, am 10.12.2015 beantwortet. Eine längere Fassung, vorher per mail abgeschickt, wurde bisher nicht beantwortet). 


Sehr geehrter Herr Caesar,

vor der letzten Bundestagswahl sprach ich Sie an und bat um ein Gespräch zum Thema "Bundesweiter Volksentscheid". Leider hat dies bisher nicht geklappt. Nun habe ich einen Anlass, mich wieder an Sie zu wenden. Demnächst steht ein Bundestagsbeschluss zur Entsendung weiterer deutscher Soldaten an. Ihr Einwand, politische Sachverhalte seien zu komplex für Volksentscheide, wird m.E. durch die Folgen der bisherigen Politik entkräftet. Die Mehrheit der Wähler war damals gegen einen Afghanistaneinsatz und auch gegen weitere.
Fragen:
1) Hat nicht dieser "war on terror" gerade erst weitere Terroristen hervorgebracht?
2) Müssten Sie als christlicher Politiker nicht eher Jesu Leben und Denken folgen?
Naiv? Selbst wenn man den alttestamentlichen Gleichheitssatz "Auge um Auge…" zu Grunde legt, hat die andere Seite, auch geschichtlich gesehen (Kreuzfahrer), noch Rechnungen offen. Seit 9/11 allein über 1 Mio. Tote, die Mehrheit davon unschuldige Zivilisten islamischen Glaubens.
Frage:
3) Wie viele davon gehen auf‘s deutsche Konto?

Die bekannte Fotografin Anja Niedringhaus aus Höxter wurde im April 2014 von einem afgh. Polizeioffizier erschossen, der sie eigentlich beschützen sollte. Dies war seine Reaktion auf die Tötung seiner Familienmitglieder durch NATO-Luftangriffe. Frage:
4) War es eine Drohne mit Lenkung über Ramstein?
5) Rechnen Sie damit, dass wir in Deutschland jetzt durch die militärische Hilfestellung in Syrien verstärkt zur Zielscheibe werden?

Eine Antwort auf diese Fragen wäre: "Anders als mit Waffen kann man den IS jetzt nicht stoppen! Das ist humanitäre Pflicht."
Hatten wir das in Afghanistan mit Al Kaida nicht auch schon? Es wird immer klarer, dass ein Denken, das die Probleme vergrößert, nicht zur Lösung beitragen kann.

6) Wenn ich als Wähler keine Partei finde, die in existenziellen Fragen (wie Kriegsbeteiligung) mich vertritt, dann bleibt doch nur der Volksentscheid- oder?

In großer Sorge um unsere Demokratie

Rainer Kluckhuhn

 

Antwort von Cajus Caesar, auf abgeordnetenwatch am 10.12.2015 veröffentlicht:

Sehr geehrter Herr Kluckhuhn,

gern können wir uns zu einem persönlichen Gespräch treffen. Am Montag, den 18. Januar 2016 von 15 bis 17 Uhr werde ich im CDU-Bürgerbüro in Lage, Lange Str. 92, sein. Zur besseren Abstimmung kontaktieren Sie bitte mein Wahlkreisbüro, Frau Klepfer, unter der Telefonnummer 05231 92 49 -60.

Zu Ihren Fragen bezüglich dem Einsatz der Bundeswehr in Syrien möchte ich nur einige kurze Bemerkungen machen.

Der Bundestag hat in seiner letzten Sitzungswoche dem erweiterten Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den IS-Terror zugestimmt. Mir und meinen Kollegen ist es nicht leicht gefallen, deutsche Soldaten in die Mission in Syrien zu schicken. Es ist aber notwendig, denn der Terror der Islamisten hat unzähligen Menschen das Leben gekostet, im Irak, in Syrien, aber auch außerhalb der Region, wie in Paris am 13. November 2015. Mit den menschenverachtenden Anschlägen hat der IS nicht nur Frankreich, sondern den europäischen Raum der Freiheit und des Rechts angegriffen. Der Angriff galt unserer Lebensweise und unseren Werten, er galt damit auch uns. Dagegen müssen wir uns verteidigen. Der IS stellt aufgrund seiner Gewaltideologie, seiner terroristischen Handlungen, seiner anhaltenden schweren, systematischen und ausgedehnten Angriffe auf Zivilpersonen sowie seiner Anwerbung und Ausbildung ausländischer Kämpfer eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar.

Natürlich löst das militärische Eingreifen nicht allein das Problem. Deshalb ist der Einsatz in eine Gesamtstrategie eingebettet. Unser Ziel ist die Verhütung und Unterbindung terroristischer Anschläge. Zugleich müssen wir erreichen, dass der IS keine Gräueltaten mehr an der Zivilbevölkerung begehen kann. Die Menschen müssen in der Region endlich wieder in Frieden leben können.

Die Bekämpfung des IS erfolgt nach dem Ansatz der Vernetzten Sicherheit. Das umfasst diplomatische, entwicklungspolitische, polizeiliche und notfalls auch militärische Mittel.
Der wichtigste Pfeiler ist der politische Prozess der Wiener Verhandlungen zur Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien. Wenn es gelingt, eine Verständigung zwischen der verhandlungsbereiten Opposition und dem Regime in Syrien zu erreichen, gibt es die Chance für ein gemeinsames Vorgehen gegen den IS im Land. Erstmals sitzen dazu die USA, Russland, die Europäer, aber auch regionale Akteure wie Saudi-Arabien und Iran, an einem Tisch, um einen Waffenstillstand und einen politischen Übergangsprozess in Syrien auszuhandeln. Bisher wurde vereinbart: In sechs Monaten sollen die Voraussetzungen für eine Übergangsregierung geschaffen werden. Ein 18 Monate langer Übergangsprozess soll schließlich in freie und faire Wahlen münden. Dabei stehen der Erhalt der syrischen Staatlichkeit und ein Transformationsprozess weg von Assad an oberster Stelle.

Wir setzen zweitens auf die erfolgreiche Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe für Peschmerga, Jesiden und andere gemäßigte Gruppen, die sich dem IS entgegenstellen. Dazu werden wir das Mandat für die Ausbildungsmission der Bundeswehr im Nordirak von 100 auf künftig 150 Soldaten erweitern. Und wir stellen bis zu 100 Millionen Euro zur Ertüchtigung von regionalen Partnern bereit. Mithilfe der Luftunterstützung durch die Anti-IS-Koalition ist es den Peschmerga bereits gelungen, den IS aus Städten wie Kobane und Sindschar zu vertreiben. Das zeigt: Es ist möglich, den IS militärisch zurück zu drängen.
Drittens müssen die Finanzquellen des IS ausgetrocknet werden. Der UN-Sicherheitsrat hat schon im Februar 2015 beschlossen, dass alle Staaten Geldtransfers an den IS unterbinden müssen. Dies hat er mit Resolution 2249 nochmals bekräftigt. Deutschland hat das schon umgesetzt und einen eigenen Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung geschaffen. Jetzt müssen alle anderen Staaten, insbesondere diejenigen in der arabischen Welt, ebenfalls alles dafür tun, um die Finanztransfers an den IS zu unterbinden und insbesondere sein Ölgeschäft zu vereiteln.
Viertens werden wir noch entschlossener die IS-Propaganda in den sozialen Netzwerken bekämpfen und in Programme zur Prävention und Deradikalisierung von Jugendlichen investieren.
Fünftens erhöhen wir die humanitäre Hilfe für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak um 400 Millionen Euro auf rund eine Milliarde Euro. Zudem stellen wir im nächsten Jahr 850 Millionen Euro mehr für die Entwicklungszusammenarbeit bereit. Dieses Geld kommt vor allem den Menschen zu Gute, die vor dem IS fliehen.
Das zeigt: Eine Bekämpfung des IS im Rahmen der Vernetzten Sicherheit ist nachhaltig und leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Linderung der Fluchtursachen.


Mit freundlichen Grüßen
Cajus Caesar

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Leserbrief zum veröffentlichten Brief von Herrn B. Seidel „Fairer Handel mangelhaft“ (LZ vom 6.9.2014)

Fairer Handel hat immer noch Mängel. Deswegen aber beim alten, unfairen zu bleiben ist keine Alternative. Armut und Hoffnungslosigkeit in den Ländern des Südens sind auch ein Grund dafür, dass die Menschen ihre Heimat verlassen und hier eine Zukunft suchen.

Die benannte Arte-Dokumentation wurde 2013 erstausgestrahlt. In der Zwischenzeit ist das Kontrollsystem für FAIRTRADE-Siegel erweitert worden und der Standard für Plantagen verschärft. So wird z.B. jetzt den Arbeiter/innen die volle Entscheidung über Prämien zugesprochen. Mischprodukte mit Kakao und Zucker dürfen zukünftig nur das Siegel tragen, wenn diese zu 100% fairtrade sind. Im Textilbereich soll es nach den verheerenden Unfällen bis 2015 wirksame Kontrollen der Arbeitssituation geben.

Lange bewährt im fairen Handel ist GEPA, die vorrangig Weltläden beliefert. Weil das auch nach Jahrzehnten ein Nischenangebot geblieben ist, geht FAIRTRADE jetzt einen zweiten Weg: Es will die Masse der Verbraucher ansprechen und arbeitet darum mit Handelskonzernen zusammen. Die sollen Produkte mit dem fairen Siegel anbieten: „Genuss mit gutem Gewissen“. TransFair, die „Mutter“ von FAIRTRADE-Deutschland wurde als gemeinnütziger Verein von 34 Organisationen gegründet, u.a. NGO’s, Kirchen, Stiftungen. Ihnen liegt die Gerechtigkeit am Herzen, nicht die Profitmaximierung. Handelsketten dagegen sind systembedingt profitorientiert. Sie werden FAIRTRADE-Produkte wieder aus dem Angebot nehmen, wenn nicht genügend nachgefragt wird.

Seit 2004 hat sich der faire Handel in Deutschland verzehnfacht. Einige Handelskonzerne wollen mit eigenem Label davon profitieren, darum ist ein unabhängiges Siegel auch so wichtig.
Kritische Berichte zum fairen Handel hat es in den Medien mehrfach gegeben und wird es weiter geben. Ob dies konstruktiv geschieht oder ob durch Vorführung einiger „schwarzer Schafe“ alles in Verruf gebracht wird, kann der Leser selbst herausfinden. Auch hier gilt: Sensationen erhöhen die Quote. Denn ein fallender Baum macht mehr Krach als ein wachsender Wald. Der aber wird weiter wachsen, wenn wir ihn schützen.

Gez.
Rainer Kluckhuhn
Stucken 25
32657 Lemgo

(wurde am 1.10.2014 abgedruckt)

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      Leserbrief zu „Demokratie der Zuschauer“
von Friedrich Schorlemmer (Publik-Forum 18/2014, S.9)

„Demokratie“ heißt übersetzt „Herrschaft des Volkes“. Dem trauten die Väter des Grundgesetzes und die Siegermächte aber (noch) nicht und schufen darum eine Parteiendemokratie: Der Wähler kann nicht über existenzielle Fragen einzeln entscheiden, nur einem Bündel (Parteiprogramm) zustimmen. Wer sich damit in keiner Partei wiederfindet, kann nur verweigern oder eine neue gründen. Die „Aktion faule Demokratie“ (AfD) ist das letzte Beispiel dafür. Der Königsweg wäre die Einführung der bundesweiten Volksabstimmung wie sie „Mehr Demokratie e.V.“ vorschlägt, mit langer Informations- und Diskussionsphase und einem Veto des Verfassungsgerichts zum Minderheiten- und Menschenrechtsschutz. (in 20/2014 abgedruckt)

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Faires Spiel- fairer Handel
Ein Tor ist ein Tor, egal aus welcher Nation der Torschütze kommt. So sind die Spielregeln. Aber wie ist es mit den Handelsregeln? „Play fair- pay fair“ sagen die Engländer, von denen nicht nur der Fußball, auch die fairtrade-Bewegung kommt. Gerechter Lohn für gleichwertige Arbeit. Wieviel verdienen die Näher/innen der Trikots und der Fußbälle? Viele Arbeiter und Kleinbauern des Südens können mit ihrem Lohn nicht mal ihre Familien ernähren. Andauernde Ungerechtigkeit macht hoffnungslos. Dann wird ein Ausweg gesucht in Flucht oder Gewalt. Zunehmend stehen Hunger- und Kriegsflüchtlinge vor unserer Tür… Gegen die Schere zwischen arm und reich global und auch bei uns hilft nur: fair-teilen.
Ein fairer Handel unterstützt Menschen in den Entwicklungsländern und gibt ihnen Hoffnung, eine menschenwürdige Existenz aus eigener Kraft aufzubauen.
Und der Fußball? Er kann Würde wieder geben und bisherige Demütigungen lindern: Ein Tor ist ein Tor, egal ob von Deutschland oder Ghana.

Rainer Kluckhuhn, Stucken 25
32657 Lemgo                        (wurde zur WM abgedruckt)

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Fairer Volksentscheid

Der erste Lemgoer Bürgerentscheid ist entschieden. Der Laie wundert sich: Die Mannschaft mit mehr Toren hat verloren? Die Regeln schreibt der §26 der Gemeindeordnung für NRW vor: 20% Zustimmungsquorum für Städte mit der Größe Lemgos, also mindestens 20% der Wahlberechtigten müssen ja sagen. Aber ist diese Hürde nicht zu hoch für eine faire Demokratie? In vielen Bundesländern sind die Quoren niedriger, in einem Berliner Stadtteil z.B. hätte die Initiative gesiegt. Und bei der letzten Kommunalwahl hier wäre selbst die CDU daran gescheitert. 

Was ist zu tun, damit nach solchen Erfahrungen die Demokratie-Verdrossenheit nicht weiter zunimmt? Die repräsentative Parteien-Demokratie muss erweitert werden um eine direkte Demokratie: Volksentscheide nach fairen Regeln, auch auf Bundesebene, mit Informations- und Diskussionsphasen, wie sie „Mehr Demokratie“ vorschlägt. So möchte ich selbst mitentscheiden können, wenn z.B. ein Kriegseinsatz unserer Soldaten im Ausland diskutiert wird. Neben einer gerechten Wohlstandsverteilung ist eine gerechtere Teilhabe am Gemeinwesen notwendig für unsere friedliche Zukunft, sonst gibt es zu viele Verlierer.
 
Der Text wurde vollständig am 7./8. Sept. 2013 in der Lippischen Landeszeitung abgedruckt.
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Leserbrief zum Publik-Forum- Artikel „Der Krieg in den Seelen“ ( Heft 7/2012: Ein Interview mit Dr. Martin Dutzmann, Militärbischof und Landessuperintendent der Lipp. Landeskirche). 

Die Einsicht, dass wir unsere Soldaten in den Krieg schicken, kommt spät, zu spät für einige. Früher sprach Dr. Dutzmann von deren Aufgabe als „barmherzige Samariter“ in Afghanistan. (Interview in Ev. Militärseelsorge vom 24.9.08 ). Er fordert jetzt eine Diskussion zur Frage, „wofür wir unsere Streitkräfte überhaupt brauchen“. Diese Diskussion gibt es schon lange, besonders hier in Lippe, seit unser Landessuperintendent zusätzlich das Amt des Militärbischofs übernahm. Allerdings hat sich die Militärseelsorge bisher davor gedrückt und damit zur jetzigen Situation beigetragen. Ihre erste Aufgabe war und ist, Akzeptanz und Funktion des Militärapparates zu erhöhen und nicht, dem Menschen zu helfen. Das würde eher eine Soldatenseelsorge tun, wie sie der Versöhnungsbund fordert.

(wurde im Heft 9 abgedruckt ohne die roten Sätze; 4.Mai 2012)

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Rainer Kluckhuhn                                                  7. Okt. 2009
Stucken 25
32657 Lemgo
Tel 05261/87233


An die
Redaktion der
Lippischen Landeszeitung
Leserbriefe

Leserbrief zur Bundestagswahl
Zwei Kreuzchen gemacht! Jetzt dürfen wir wieder für vier Jahre meckern, was der Stammtisch her gibt. Was kann man sonst auch tun, wenn Macht und Verantwortung pauschal abgegeben werden müssen? So ist das in der repräsentativen Demokratie. Aber repräsentiert denn die Regierung wirklich den Volkswillen? Kriegseinsatz, Atomkraft, Gentechnik sind da, obwohl die Mehrheit dies nicht will.
Warum gibt es für solche Existenzfragen nicht die direkte Demokratie, den bundesweiten Volksentscheid? Erfahrungen zeigen: Wenn das Volk in die direkte Verantwortung kommt, wird abgewogen und mit Blick auf das zukünftige, gemeinsame Ganze entschieden statt mit Blick auf den kurzfristigen Ego-Trip. Wenn die Manipulation durch Meinungsmacher von außen nicht zu stark ist, kann eine kollektive Intelligenz entstehen, wie z.B. bei den Verbrüderungen der gemeinen Soldaten im 1.Weltkrieg.
Eines wird immer klarer: Die Parteiendemokratie wird mit den zunehmenden Problemen und Krisen nicht mehr fertig. Das Argument, die Bürger seien mit den komplizierten Sachverhalten überfordert , zieht nicht mehr. Es waren die Politiker, die den Gesellschaftskarren in die Feuchtgebiete des Systems fahren ließen. Im nächsten Sumpf könnte er vollends stecken bleiben.
In der Parteiendemokratie wird die Konkurrenzstruktur immer fragwürdiger. Zeit und Energie werden nicht gebraucht, um tiefe Problemlösungen zu finden, sondern eingesetzt zur Strategie gegen die Konkurrenz innerhalb der Partei und unter den Parteien: Ich weiß es, die anderen liegen falsch oder lügen bewusst. Der Wähler wählt seine Partei der Besserwisser. Doch dann stellt sich heraus, dass die es auch nicht besser macht. Und nach der nächsten Wahl dreht sich das Parteienkarussell weiter: Neue Partei, neue Koalition. Glaubwürdigkeit und Vertrauen sammeln in der Opposition und verspielen in der Regierung, so heißt das bekannte Spiel. Doch die schwindende Hoffnung auf wirkliche Verbesserung lockt immer weniger Wähler zur Urne.
Und es gibt die Versuchung des Populismus: Gewählt wird, wer die Frust-Konsum-Wünsche am besten anspricht. Bei der direkten Demokratie scheint diese Gefahr auch gegeben. Aber sie entsteht vor allem durch Ohnmachts- und Ungerechtigkeitsempfindungen. Die Vision einer gerechteren Welt und die eigene Teilhabe daran inspirieren zu mehr Verantwortung und Bewusstsein.
Wie lange wollen wir noch in einer Konkurrenzgesellschaft der Einzelkämpfer leben, einer „Wirtschaftsordnung, die heute den Lebensstil aller Einzelnen... mit überwältigendem Zwang bestimmt, bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist“ (Max Weber 1905). Die Einsicht, dass wir auf dieser Erde nicht in Konkurrenz sondern nur gemeinsam und gleichwertig weiter existieren können, kommt dann vielleicht zu spät.

Gez.
Rainer Kluckhuhn 
 (wurde mit geringen Veränderungen abgedruckt am 17./18. Okt.09)

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Rainer Kluckhuhn                                             09.06.2008
Stucken 25
32657 Lemgo

Leserbrief zu Artikeln über den Afghanistan-Einsatz

„Passt ihr besser auf, worauf ihr euch einlasst!“ war die Antwort, wenn ich als Jugendlicher mit den Älteren über die Schuld am 2.Weltkrieg sprach. Man kann damals nicht mit heute vergleichen. Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie mit Informationsfreiheit.
Aber wissen wir wirklich, was in Afghanistan passiert? Im Krieg werden Deutungshoheit und Entscheidungsmacht an das Militär abgegeben. Leider gilt auch für demokratische Staaten: Fast jeder Krieg beginnt mit einer Lüge. Vorletztes Beispiel: Der Kosovokonflikt- Wege in einen vermeidbaren Krieg (General Loquai).
Der militärpolitische Berater der deutschen Botschaft in Kabul spricht in einem internen Papier davon, dass die Lage unzulässig geschönt werde. Seit vielen Jahren werden Soldaten losgeschickt mit der Begründung: „Wir dürfen Afghanistan nicht den Terroristen überlassen“. Aber wollen die Menschen dort wirklich diese Art von westlicher Hilfe?
Zwei Ereignisse der letzten Zeit geben zu denken: Ein Talibanführer entkommt dem deutschen Zugriff durch Flucht in die umliegenden Felder. „Wir konnten nicht schießen, weil da so viele Bauern waren!“ Und: Als die Bombe deutsche Soldaten auf der Heimfahrt zum Flughafen tötete, waren die Straßen viel leerer als sonst. „Warum ist mir das nicht aufgefallen?“ macht sich der traumatisierte Truppführer heute Vorwürfe.
Stecken hinter den vom Westen propagierten Werten von Freiheit, Demokratie und Wohlstand nicht ganz andere Interessen?
„Jetzt ist die Zeit der warlords aus Ost und West“, sagte mir ein Afghane (DAI), „sie bleiben nur Herren, wenn Krieg ist, deswegen wird der nicht aufhören“. Warlords aus dem Westen? Ex-US-Präsident Eisenhower warnte seinerzeit vor dem militärisch-industriellen Komplex als größte Gefahr intern für die Demokratie. Seitdem hat sich dessen Einfluss vervielfacht besonders in Medien und Politik, abzulesen am Militärbudget der USA. Und für die NATO ist dies der erste weltweite heiße Krieg, genannt „Bündnisfall“, nachdem der Gegner des kalten Krieges verschwunden war und die Frage der Existenzberechtigung gestellt wurde.
Das Leid des Krieges tragen immer die kleinen Leute – auf beiden Seiten. Aber sie sind viele- wenn sie zusammenhalten. Es ist an der Zeit, dass sie sich ihrer Macht bewusst werden: eine Globalisierung des Friedens von unten- ohne Waffen.

Rainer Kluckhuhn
Stucken 25
32657 Lemgo

(wurde in der LZ am 14./15. Juni 08 abgedruckt)

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Leserbrief per e-mail an Schraegstrich (Grüne Mitgliederzeitschrift) zum Artikel „Friedenspolitik...“ von Marion Blitz (März 2008) 

In dem Artikel über den Kommissionsbericht wird das Grundproblem der grünen Außenpolitik deutlich: Der Spagat zwischen einer antikriegerischen Basis einerseits und den Verpflichtungen zu NATO und US-Partnerschaft andererseits.

Als Teil der Basis darf ich hier die politisch unkorrekte Meinung äußern: Die warlords der Welt, Männer, die nur im Krieg Herren sind, lassen wieder kräftig knallen- auch die Sektkorken. Die Militärausgaben sind so hoch wie nie zuvor. Die NATO ist für viele Menschen zum NahTod geworden. Wer hat sie wie verspielt, die Friedensdividende nach dem Ende des Kalten Krieges? Das Monster (Steppenwolf) hat einen Namen: der militärisch-industrielle Komplex. Vor ihm warnte der frühere US-Präsident Eisenhower als Gefahr für Frieden und Demokratie. Seit dessen Zeit haben Lobbyarbeit in Parlament und Medien und die Verquickung bei Politik, Militär und Industrie weiter kräftig zugelegt.

 

Ist die menschliche Natur unfähig zum Frieden? Ich hoffe auf eine Friedens- Globalisierung von unten, die erkannt hat: Das Böse ist nicht der franz. Erbfeind, der Kommunist, der Ungläubige, der Terrorist..., also der fremde Andere, sondern es steckt im Sündenbockdichter und Feindbildhauer. Für Christen: Der Sündenfall der Menschheit (Gen. 2,16) liegt in der urteilenden Erkenntnis des Bösen und dem daraus folgenden gegenseitigen Ausrottungskampf.

(wurde ohne den letzten Absatz abgedruckt)

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Rainer Kluckhuhn Lemgo,                                                      15.11.2005
Stucken 25
32657 Lemgo
Tel 05261/87233

An die Lippische Landeszeitung

Sehr geehrte Damen und Herren!
Bitte veröffentlichen Sie den folgenden Leserbrief anlässlich der Gedenkfeiern zum 9. Nov.

Herzlichen Dank

Die diesjährige Gedenkveranstaltung zum 9.November 1938, der Reichspogromnacht, wurde in Lemgo von einer erfreulich großen Zahl von Mitbürgern getragen. Besonders das Engagement der jungen Leute macht Mut und gibt Hoffnung für die Zukunft. Deswegen sollten wir darauf achten, dass solches Gedenken nicht zu einem bloßen Bußritual über Vergangenes wird, das von Notwendigkeiten der Gegenwart ablenkt.
Zum Beispiel: Unterstützung des Synagogenbaus in Hameln. An der Stelle der alten, zerstörten Synagoge soll ein neues Gotteshaus entstehen, das erste des liberalen Judentums in Deutschland nach dem Kriege. Zu der dortigen schnell wachsenden Gemeinde der Reformjuden gehören auch Lemgoer mit jüdischem Glauben.

Und die Hilferufe aus dem „Heiligen Land“? In Israel/Palästina versinken die beiden Völker in einem Sumpf von Angst, Hass und Hoffnungslosigkeit. Dürfen wir dazu schweigen? Gewalt scheint etwas sehr Nachhaltiges zu sein: Die heutigen Opfer auf beiden Seiten sind auch eine Folge unserer barbarischen Vergangenheit. Aber was können wir tun? Einseitige Unterstützung bedeutet nur, Krieg und Leid zu verlängern. Doch es gibt auf beiden Seiten friedliebende Kräfte, die im Anderen den gleichwertigen Menschen sehen. So sagte die 18jährige Palästinenserin Lama Tarayra bei der Verleihung des Stuttgarter Friedenspreises: „Im Camp (Begegnung zwischen israelischen und arabischen Mädchen) ...traf ich die andere Seite... Am Anfang waren es die Gesichter von Feinden, zwei Wochen später hielt ich das Herz von guten Freunden in meinen Händen. Ich lebte mit ihnen, aß mit ihnen, spielte, stritt, lachte und weinte mit ihnen. Ich teilte mit ihnen meine Geschichte, meinen Schmerz, sie teilten mit mir ihre Gefühle, ihre Tränen...“
Lama kommt Anfang Dezember nach Gütersloh! Eingeladen von der dortigen Stiftung Begegnung.
(wurde abgedruckt)

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Rainer Kluckhuhn                                                                               20.4.2005

Stucken 25

32657 Lemgo

05261/87233 

An die Lippische Landeszeitung

Detmold

Betr: Leserbrief

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Bitte drucken Sie den folgenden Leserbrief ab, der Stellung nimmt zu den Vorgängen im Friedensbüro Lemgo. Herzlichen Dank! 

Mit freundlichen Grüssen 

Krieg sogar im Friedensbüro? Muss man da nicht an der Friedfertigkeit des Menschen zweifeln- und verzweifeln?

Wie kann es sein, dass gerade Friedensarbeiter so miteinander umgehen? 

Wer sich mit den Brennpunkten der Gesellschaft befasst, lebt besonders heiß. Bedingt durch die Aufgabenstellung des Vereins sind im Friedensbüro die Unmenschlichkeiten unseres Systems besonders zu spüren. Der Kriegszustand der Konkurrenzgesellschaft wird hier fokussiert: Jeder gegen jeden. Keiner traut mehr dem anderen. Solidarität und Kooperation sind nur noch schöne Worte.

Wir alle sind Kinder dieser Gesellschaft: Geiz, Neid, Angst und Hass haben Konjunktur. Das Gefühl Opfer zu sein lässt den Täter entstehen. Wie schon bei Abel und Kain- dem Prototyp von Konkurrenzkampf und Gier nach Zuwendung. Was sagen die Weisen  zu dieser Sündenfalle?

Die Neurobiologin Prof. Teuchert-Noodt diagnostiziert: Unsere Lebensverhältnisse werden immer schädlicher für Leib und Seele. Durch chronischen Stress („Käfighaltung“) verkümmert das Moralzentrum des Homo sapiens im vorderen Stirnhirn. Wir werden wieder zum Neandertaler, wenn diese Entwicklung so weitergeht! (Vortrag am 24.4.2004, Uni Bielefeld)

Einstein warnte:„Die Verkrüppelung des Individuums ist meiner Ansicht nach das größte Übel des Kapitalismus“ (Warum Sozialismus? in Monthly Review, Mai 1949).

Und in der Bibel wird Kain, dem ersten lustgeborenen Leiderzeuger, von Gott der Rat gegeben: Achte auf deine Gefühle. Wenn Grimm hochkommt und die Sünde nach dir Verlangen hat, lass sie nicht einnisten. (1.Mose 4)

Eigene Emotionen und Lebensverhältnisse wirken gegenseitig: Friede innen und außen sind nur zusammen zu erreichen!

Also machen wir es wie Gandhi: „Wir selbst müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.“ Muße, Muse und Meditation können auch Wachstum bewirken- zu mehr Friedfertigkeit.

(wurde abgedruckt)

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An die Redaktion                                     Sept. 2004

der Lippischen Landeszeitung 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Folgend ein Leserbrief zum Wort zum Sonntag vom 11./12.September.

Über eine Veröffentlichung würde ich  mich freuen. 

Mit freundlichen Grüßen

Herzlichen Dank! Das Wort zum Sonntag von Herrn Pastor Grote („Nichts dazugelernt?“) anlässlich des 11.9. ist mir aus der Seele gesprochen. Kurz nach dem Schock vor 3 Jahren schrieb mir ein  E-mail-Freund aus Boston: „Schon die Heilige Schrift zeigt, dass ein Angriff auf eine göttliche Nation schwer bestraft wird. Wir sind in einem Krieg gegen das Böse.“ In diesen und ähnlichen Sätzen führte er mir vor Augen, wie sehr sich Glauben und Weltbild vieler US- Bürger von unserem unterscheiden.

Warum? Neben der religiös geprägten Siedlungsgeschichte Nordamerikas ist es vor allem die andere Erfahrung mit Gewalt: Unser Streben nach Vormacht und Herrenordnung in Europa hat uns zwei Kriege mit Niederlagen und viel Leid gebracht. Erst im 2. Weltkrieg haben wir durch die Zerstörungen im eigenen Land begriffen, was Kriegsgewalt bedeutet. Den USA ist diese Erfahrung bisher erspart geblieben. Sie waren erfolgreich, z.B. im Krieg gegen das Böse des Faschismus. Und sie fühlten sich sicher und beschützt in „Gods own country“. Der 11.9. löste deshalb, auch medial unterstützt, Empfindungen von Verunsicherung, Angst und Wut in einem Maße aus, das für uns kaum nachvollziehbar ist. Deshalb folgte wohl eine Mehrheit  den Interessen einer Minderheit, die in Weltordnungskriegen ihre Führerschaft sichern will.

Der One-Dollar-Schein (mit dem Gründer-Siegel von 1776) verdeutlicht den amerikanischen Traum und seinen religiösen Ursprung: Ähnlich wie das alte Israel findet ein neu zusammengeführtes Gottes-Volk (aus vielen eins) mit seiner Hilfe das gelobte Land und eine neue Ordnung (Das Auge der Vorsehung begünstigt unser Unternehmen).

Vor diesem Hintergrund sah und sieht die Erlösernation (redeemer nation) ihre militärischen Aktionen auch als religiöse Mission für die Menschheit. Am freedom- and democracy- Wesen sollte die Welt genesen. So hat z.B. der republikanische Präsident Mc Kinley in einer Vision die Besetzung der Philippinen (1898) als Auftrag Gottes empfunden. In seiner Amtszeit wurden die USA nach dem Sieg über die spanische Armee zur Weltmacht und „missionierten“ auch Kuba, Hawaii und andere Teile der Erde.

Heute ist die US- Gesellschaft wieder tief gespalten. Es gibt auch das andere, friedliche Amerika. Viele Kirchen, wie Bushs Heimatkirche, haben sich von Anfang an gegen den Irak-Krieg ausgesprochen.

Wir können voneinander lernen, zuerst, indem wir uns gegenseitig besser kennen und verstehen lernen. Vielleicht gelingt es dann doch, die Erfahrungen einer leidvollen europäischen Geschichte weiter zu geben. Machen wir den Friedfertigen Mut und helfen wir den Geängstigten.

(wurde mit starken Kürzungen abgedruckt)

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